Herrenmode des frühen 19. Jahrhunderts / Biedermeier

Nachdem ich zum gefühlt 100. Mal die 1995 BBC-Verfilmung von Stolz und Vorurteil angesehen habe und die Handlung bereits gut kenne, habe ich mich dieses Mal auf die Umsetzung der Männerkleidung des 19. Jahrhunderts konzentriert und beschlossen, dass Epochs of Fashion ein Kapitel zur Herrenmode dieser Zeit braucht.

1809 und 1828 (©Epochs of Fashion)
1809 und 1828 (©Epochs of Fashion)

Die Herrengarderobe des frühen 19. Jahrhundert (engl. Regency/Georgian Era, frz. Empire) bis in die Zeit des Biedermeier bestand im Grunde aus Hemden, Hosen, Westen, verschiedener Arten von Mänteln, Krawatten, Hüten (i.d.R. Zylinder) und natürlich Strümpfen und Schuhen. Die Farbpalette war gedeckt. Nach den farbenfrohen und reichlich verzierten Gehröcken des Rokoko waren nun nüchterne Farben wie Schwarz, Dunkelblau, Braun, Grau und Grüntöne, Beige und Weiß in Mode. So predigte es auch Beau Brummel, der Dandy und Trendsetter seiner Zeit in London, der sich für matte Töne und klare Linien höchster Schneiderskunst einsetzte.

 

Wie bei den Damen auch, hatten Herren verschiedene Formalitätsgrade bei ihrer Kleidung zu beachten.

Im Haus und im engen Familienkreis trug man legerere Kleidung und es war einem erlaubt, die Krawatte abzulegen. Die hochformelle Kleidung für besondere Angelegenheiten oder bei Hofe wurde aus den besten Materialien gefertigt und erforderte komplizierte Krawattenknoten.

 

Modenzeitung, fünftes Extra-Kupfer 'Englische Moden', ca. 1830
Modenzeitung, fünftes Extra-Kupfer 'Englische Moden', ca. 1830

Angefangen bei den Hemden. Die allseits bekannte Szene, in der Mr. Darcy im See von Pemberley schwimmt (obwohl reichlich entfernt vom Buch und vom Benehmen der Zeit) zeigt ein solches.

 Die Hemden, aus dem gebleichtesten weißem Musselin oder feinem Leinen, waren langärmlig und reichten bis zur Mitte des Oberschenkels. Am Hals wurden sie mit Knöpfen geschlossen, hatten aber nie eine Knopfleiste bis zum Saum, so wie heute. Dabei waren die Knöpfe der Unauffälligkeit halber mit dem weißen Material bezogen. Die Krägen stärkte man mehrfach, sodass sie bis zum Kinn standen und das Gesicht leicht einrahmten, was ihnen den Namen "Vatermörder"einbrachte.

Unter dem Kragen um den Hals wurde die schneeweiße Krawatte gebunden, die aus einem langrechteckigen Stoffschal bestand. Sie ruhte dann aber nicht wie heute zwischen den Schlüsselbeinen und fiel die Brust herab, sondern wurde mehrfach und unbequem eng um den Hals gebunden und dann mit einem kunstvollen Knoten zugeschnürt.

 

Hosen waren im 19. Jahrhundert lang und hochgeschnitten, sie reichten bis zur Taille. Sie wurden generell aus hellem Stoff gefertigt und hatten vorne einen beidseitig geknöpften Hosenlatz (ähnlich wie bayrische Lederhosen noch heute). Für feierliche Anlässe wie Bälle trug man Kniebundhosen über weißen Kniestrümpfen.

Modenzeitung 1832 Nr. 12. Herrenmode des Biedermeier. Foto: Epochs of Fashion
Modenzeitung 1832 Nr. 12. Herrenmode des Biedermeier

Über das Hemd zog man eine Weste, deren Weite hinten im unteren Rücken mit einer Schnürung auf Figur gebracht wurde. Vorne wurde sie ein- oder zweireihig geknöpft.  Sie reichte vorne bis zum hohen Hosenbund, war also etwa taillenlang. Ihr meist stehender Kragen rahmte seinerseits den weißen Hemdkragen.

 

Verließ ein Herr das Haus, zog er einen Gehrock oder Frack über, der wie die Weste ein- oder zweireihig geknöpft wurde. Um auf Reisen besser vor den Elemenen geschützt zu sein, hatte ein Reisemantel mehrere Lagen Capes über den Schultern. Wie Catherine Morland in Jane Austens Northanger Abbey über Henry Tilney sinniert, der sie in seiner Kutsche fährt: “And then his hat sat so well, and the innumerable capes of his greatcoat looked so becomingly important!”.

Chatelaine, London, 18th century. Museu del Disseny, Barcelona. picture by Epochs of Fashion - Herrenmode Mode Männer Biedermeier
Chatelaine, London, 18. Jahrhundert. Museu del Disseny, Barcelona. Foto: Epochs of Fashion

Accessoires:

 

Auch Männer trugen eine Reihe Accessoires mit sich. Gehstöcke ersetzten die Degen früherer Zeiten und wurden bei Spaziergängen und durch die Stadt gehen. Neben dem Geldbeutel und Handschuhen trug jeder Mann während dem Biedermeier der sich das teure Stück leisten konnte, eine Taschenuhr.

Bei dieser spielte jedoch die Funktion als Schmuckstück eine ebenso große Rolle wie die des Zeitmessers. Das empfindliche Stück wurde in einer speziell dafür vorgesehenen kleinen Hosentasche getragen. Viele Jeanshosen haben noch heute eine kleine Tasche in der 'richtigen' Hosentasche, welche das Überbleibsel dieser Zeit ist.

Eine Uhrenkette oder ein dunkles oder scharlachrotes Uhrband (deutlich verbreiteter als die Uhrenkette) diente dem bequemen Hervorholen. Da die mit Relief, Gravuren oder Emaille verzierten Uhren nur selten die Tasche verließen, hängte man wie bei einem Bettelarmband weitere Anhänger dazu. So beispielsweise ein Medaillon mit dem Haar oder Portrait der Angebeteten oder ein Siegel. All das zusammen bildete die Chatelaine (engl. fob). Sie wurde am Hosenbund befestigt und hing von dort gut sichtbar bis in die Tasche herab.

 

Schnittmuster:

  • Butterick 3648 History
  • Reconstructing History 806 "1820s Frock Coat and Great Coat" (zwei Gehröcke der 1820er Jahre)
  • Reconstructing History 818 "Regency Men's Great Coat" (Reise-/Kutschermantel)

- Die aufgelisteten Schnittmuster sind nicht als Werbung zu verstehen sondern dienen rein informativen Zwecken. Die Liste beansprucht keine Vollständigkeit oder Bewertung -


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