Schon lange bevor ich mit dem Kunstgeschichtsstudium begann, habe ich Museen, Herrenhäuser, historische Gärten und Parks geliebt. Von 2018 und 2023 habe ich in England gelebt und dort natürlich die gebotene 'heritage landscape' vom National Trust, English Heritage und Co. ausgiebig genutzt. Inzwischen lebe ich wieder in Deutschland, genieße die Burgen und Schlösser Süddeutschlands und reise auch gerne über die Landesgrenzen hinaus.
Hier sammle ich Impressionen und Kurzberichte von diesen Ausflügen.
"Hardwick Hall - more glass than wall", heißt das Sprichwort des majestätischen Hauses der Bess of Hardwick. Das elisabethanische Anwesen ist das Kronjuwel im Portfolio der resoluten, wirtschaftlich begabten Bess und sie ließ es zwischen 1590 und 1597 von Robert Smythson erbauen.
Bess, geboren um 1521, hatte das emotionale Unglück aber gleichzeitig den finanziellen Vorteil, vier wohlhabende Ehemänner zu überleben. Insbesondere ihre letzte Ehe, zu George Talbot, 6th Earl of Shrewsbury begann den Briefen nach voller Zuneigunge. Das Paar wurde jedoch bald von Elisabeth I. mit der Bewachung der schottischen Königin Maria Stuart beauftragt und fortan kreiste der Haushalt für sechzehn Jahre um die Gefangene. William entwickelte wohl Gefühle für Maria und erlitt gleichzeitig zunehmende mentale Probleme, was er an Bess ausließ. Bess und Maria waren einige Zeit gute Freunde und stickten gemeinsam große Wandbehänge. Die Beziehung der unfreiwilligen Menage-a-Trois geriet jedoch zunehmend außer Kontrolle, George Talbot war seine Frau ein Dorn im Auge und er ging sogar soweit, nach einer Trennung ihren Haushalt gewaltsam von seiner Leibwache plündern zu lassen.
Maria Stuart wurde 1587 hingerichtet. George Talbot starb 1590. Bess widerfuhr dadurch in inzwischen recht hohem Alter neue Freiheit. Durch ihre Ehen hinweg hatte sie ihre eigenen Ländereien clever gemanaged, Innovationen eingebracht und gute Profite aus der Landwirtschaft erhalten. Sie entfaltete ihren Wohlstand, Einfluss als Matriarch einer großen Familie und Eigenständigkeit komplett im selbstbestimmten Bau von Hardwick Hall.
Das Haus ist ein markantes Statussymbol durch die klare, geometrische Renaissancearchitektur und die riesigen, ungeheuer teuren Fensterflächen. Das Dach zieren umlaufend Ornamente mit "E-S" für Elizabeth Shrewsbury. Im Interieur sind bedeutende Tapisserien erhalten.
Das Anwesen Stowe besteht seit 1571 und wurde im 18. Jahrhundert in den vermutlich bekanntesten und kunsthistorisch bedeutendsten englischen Landschaftsgarten umgestaltet. Gartenarchitekt war der berühmte Lancelot 'Capability' Brown und er arbeitete von 1741 bis 1751 in Stowe. Im Alter von 25 war Brown Chefgärtner geworden und dem Forscher Tim Knox nach ist die daraus erblühte Karriere das wohl größte Vermächtnis des Landschaftsgartens. Stowe katapultierte Brown in neue Spären und machte ihn zum gefragtesten Gärtner Englands. Für viele Jahrzehnte danach reiste er unermütlich durch das Königreich und gestaltete über 170 Landschaftsgärten. Dabei bot er den vollen Service von Gestaltung, Durchführung und 'schlüsselfertiger' Übergabe. Zeitgenossen spotteten über Browns Arbeitseifer, dass sie gerne vor Brown versterben würden, um das Himmelreich noch zu sehen, bevor er es umgestalten würde.
Das Herrenhaus Stowe, heute eine Schule, wurde über Jahrzehnte unter anderem von den Architekten Robert Adam (1770-1) und Sir John Soane (1805-7) gestaltet. Mehrere Besitzer von Stowe unternahmen Grand Tours nach Italien und brachten Kunstschätze von dort mit. Diese Erfahrungen flossen auch ins Interieur ein, so ist der Marble Salon beispielsweise dem Pantheon in Rom entlehnt. Im Jahre 1989 wurde der Park an den National Trust übergeben und ist nun 365 Tage im Jahr offen.
Lord Byron, der berühmte Poet der Romantik, erbte den Familiensitz Newstead nahe des Sherwood Forest im Jahre 1798. Die in der Reformation durch Heinrich VIII. aufgelöste Augustinerabtei war zu dieser Zeit heruntergekommen und Byron erst zehn Jahre alt. Seine Mutter wohnte mit ihm im nahen Nottingham, da das Haus derart ruinös war. Nach seiner Volljährigkeit investierte der junge Lord Byron viel in die Instandsetzung, konnte jedoch nur einige Räume renovieren und bewohnbar machen und auch in diese kroch die Feuchtigkeit schnell zurück.
Der Dichter mochte Newstead Abbey, hatte jedoch stets finanzielle Schwierigkeiten und einen insgesamt unsteten Lebenswandel. Daher hielt er sich nur zeitweise in Newstead Abbey auf. Das Anwesen war für ihn jedoch eine große Inspiration und die ruinöse Sentimentalität entsprach genau der Mode der Romantik und seinen Dichtungen. Viele von Byrons Gedichten drehen sich um das Haus und er verbrachte glückliche Stunden mit Spazieren und Spielen mit seinem Lieblingshund Boatswain im Park. Dennoch war er letztendlich 1812 finanziell genötigt, das Haus zu verkaufen. Die Suche nach einem Käufer zog sich bis 1818. Byron lebte zu dieser Zeit im Ausland und verstarb schon 1824. Der Käufer Thomas Wildman investierte viel in die erneute Instandsetzung und gab der Süd- und Westfassade ihr heutiges Aussehen. Im Inneren befindet sich ein wunderschöner Kreuzgang sowie die Innenräume Byrons im Gotischen Stil und wechselnde Ausstellungen. Es gibt einen Raum mit pädagogischen Spielen, Kostümen und Erklärungen für Kinder. Die Pfauen, die frei im Park herumlaufen, sind ein weiteres Highlight.
Litte Moreton Hall in Cheshire ist ein bezaubernd verwinkelt und vor allem verbogenes Anwesen aus der Tudorzeit. Die Long Gallery, nachträglich oben aufgesetzt und durch die großen Fenster erkennbar, war einfach zu schwer. Hier, wo früher getanzt wurde, fühlt man sich heute wirklich seekrank, so uneben ist der Boden geworden. Die ältesten Bauabschnitte Moretons wurden zwischen 1504 und 1508 errichtet. Die Bauzeit erstrecke sich über hundert Jahre und kreierte durch die Planänderungen und Anbauten den verwinkelten Charakter.
Das charakteristische Tudor-Fachwerk ist besonders elaboriert und zusammen mit dem das Haus umlaufenden Wassergraben und der Sandsteinbrücke bildet es einen verwunschen-märchenhaften Komplex. Im 19. Jahrhundert inspirierte Little Moreton Hall die Romantiker und den viktorianischen Historismus. Nach über 450 Jahren im Familienbesitz (über einige Jahrhunderte jedoch aus Geldnot vermietet) übergaben die Moretons das Haus 1938 an den National Trust. Es ist zwischen April und Dezember geöffnet. Das Innere ist gut erhalten mit originalen Kaminen, Vertäfelung und liebevoller Präsentation. Der wieder hergerichtete Knotengarten ist reizend und es gibt einen Tearoom mit Verpflegung.
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